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Yordan Predov

Fragen Sie sich jetzt, wie man darauf kommt, das Bulgarische eine kosmische Sprache zu nennen? Die Antwort ist einfach: Eine Aufnahme des von Walja Balkanska gesungenen Volkslieds Islel je Deljo Hajdutin (Излел е Дельо хайдутин) ist auf einer der an Bord der Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 mitgeführten Golden Records vertreten. Diese Datenplatten – eine Art Zeitkapsel – enthalten Tonaufnahmen und Bilder, die ausgewählt wurden, um das Leben und die Kultur auf der Erde in ihrer ganzen Vielfalt darzustellen. Sie sind für jegliche intelligenten außerirdischen Lebensformen oder für Menschen in der Zukunft, die sie finden könnten, bestimmt. Das Lied handelt von Deljo, einem bulgarischen Rebellenführer, der im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert die Bevölkerung im Rhodopengebirge vor den osmanischen Herrschern beschützte.

Am Anfang war das Bulgarische

Natürlich ist dies nicht das Wichtigste, was man über das Bulgarische wissen muss. Unsere Sprache hat in ganz Osteuropa einen gewaltigen historischen Einfluss ausgeübt, da sie als erste slawische Sprache schriftlich bezeugt ist – oder, genauer gesagt, als erster Dialekt, da die Forschung zeigt, dass zu jener Zeit alle slawischen Völker dieselbe Sprache sprachen. Um 862–863 n. Chr. schuf Kyrill von Saloniki auf der Grundlage des in seiner Heimatregion um Thessaloniki gesprochenen bulgarischen Dialekts das glagolitische Alphabet – das erste Alphabet, das zur Aufzeichnung des Altkirchenslawischen benutzt wurde. Er und sein Bruder Methodius wurden vom byzantinischen Kaiser nach Großmähren entsandt, um das Christentum unter den Westslawen der Region zu verbreiten. Das eigens zu diesem Zweck entworfene glagolitische Alphabet war darauf ausgelegt, die dem Slawischen eigentümlichen Laute wiederzugeben. Die beiden Missionare begannen mit der Aufgabe, die Bibel und andere religiöse Dokumente und Bücher in diese Sprache zu übersetzen, die heute unter dem Namen Altkirchenslawisch oder Altbulgarisch bekannt ist.

Allerdings wurde das glagolitische Alphabet, vermutlich aufgrund seiner Komplexität, allmählich durch das kyrillische ersetzt. Das kyrillische Alphabet, das auf dem glagolitischen fußt, wurde um die Wende vom neunten zum zehnten Jahrhundert im Ersten Bulgarischen Reich von den Heiligen Kliment und Naum entworfen und verbreitet. Die beiden waren Schüler der Heiligen Kyrill und Methodius und an den Schulen von Ohrid und Preslaw tätig. Der Gebrauch des glagolitischen Alphabets ging zurück; gegen Ende des Mittelalters wurde es nur noch wenig verwendet. Es blieb jedoch in Kroatien bis Mitte des 20. Jahrhunderts für liturgische Zwecke in Gebrauch. Das kyrillische Alphabet dagegen wird heute auf der ganzen Welt von mehr als 300 Millionen Menschen verwendet und ist in Russland, der Ukraine, Kasachstan, Belarus, Bulgarien, Serbien, Kirgisistan, der Mongolei und Nordmazedonien das offizielle Alphabet.


Die moderne bulgarische Schriftsprache stützte sich stark auf das Altkirchen-Slawische.


Die heutige Sprache

Heutzutage ist das Bulgarische die Muttersprache von ungefähr neun Millionen Menschen, von denen fast sieben Millionen in Bulgarien leben. Die anderen lassen sich in zwei verschiedene Gruppen einteilen:
• historisch gewachsene bulgarische Minderheiten in anderen Ländern wie der Ukraine, Rumänien, der Republik Moldau, Ungarn und Serbien;
• Bulgaren, die innerhalb der vergangenen drei Jahrzehnte ausgewandert sind, hauptsächlich nach Griechenland, Italien, Spanien, Deutschland, ins Vereinigte Königreich und in die USA.

Interessanterweise verwendet trotz der Bevorzugung des kyrillischen Alphabets durch die überwiegende Mehrheit der Bulgarischsprechenden ein bulgarischer Dialekt die lateinische Schrift. Dabei handelt es sich um den bulgarischen Dialekt des Banats, der laut amtlichen Quellen in Rumänien und Serbien von 8 000, nach anderen Schätzungen sogar von 15 000 Menschen gesprochen wird.

Das Bulgarische hat im Laufe seiner Geschichte viele Veränderungen durchgemacht. Im Gegensatz zu den meisten anderen slawischen Sprachen hat es sein Kasussystem verloren, aber dafür sein reiches Verbalsystem bewahrt. Außerdem ist ein bestimmter Artikel entstanden. Das Bulgarische wurde zuerst vom Griechischen (in Grammatik und Wortschatz) und später vom Türkischen, der Amtssprache des Osmanischen Reichs, beeinflusst (hauptsächlich in lexikalischer Hinsicht). Im Rahmen der nationalen Wiedergeburt im 18. und 19. Jahrhundert entstand allmählich die moderne bulgarische Schriftsprache, die sich stark auf das Altkirchenslawische/Altbulgarische und in geringerem Umfang auch auf die russische Schriftsprache, die viele altkirchenslawische Wörter bewahrt hatte, stützte. Die Zahl der Lehnwörter aus dem Türkischen und anderen Sprachen des Balkans nahm später ab.

Die Sprache lässt sich grob in zwei große Dialektzonen – eine westliche und eine östliche – einteilen, die von verschiedenen Aussprachevarianten des gemeinslawischen Jat-Vokals (Ѣ) herrühren. Die Trennung erfolgte im Laufe des Mittelalters. Die Schriftsprache fußt im Allgemeinen auf den östlichen Dialekten. Es gibt eine große Anzahl von Witzen, die sich auf die Ausspracheunterschiede zwischen den zwei Sprechergruppen beziehen.


Iwan Wasow – »Patriarch der bulgarischen Literatur«


Literatur und Wissenschaft

Als der bedeutendste bulgarische Schriftsteller gilt Iwan Wasow (1850–1921). Der Dichter, Romanautor und Dramatiker wird oft der »Patriarch der bulgarischen Literatur« genannt. Seine Werke, von denen viele von der bulgarischen Revolutionsbewegung handeln, sind in über 30 Sprachen übersetzt worden. Das berühmteste ist der Roman Unter dem Joch. Im Jahr 1917 wurde Wasow für den Literaturnobelpreis nominiert. Zu den modernen bulgarischen Schriftstellern, die man gelesen haben sollte, zählen unter anderem Jordan Raditschkow (2001 für den Nobelpreis nominiert), Waleri Petrow (außerdem ein bedeutender Shakespeare-Übersetzer), Angel Wagenstein (Jean-Monnet-Preis für Europäische Literatur 2004), Wladimir Sarew, Georgi Gospodinow und Milen Ruskow.

Nochmals zurück zur Technologie: Neben dem Volkslied, das auf den an Bord der Raumsonden Voyager 1 und 2 mitgeführten Golden Records zu finden ist, hat das Bulgarische eine weitere enge Verbindung mit der Moderne. Nur wenige Menschen wissen, dass der erste elektronische digitale Computer von John Atanasoff, einem bulgarisch-amerikanischen Erfinder und Physiker, erfunden wurde. Er entwarf das Gerät in den Dreißigerjahren mithilfe seines Studenten Clifford Berry. Der Atanasoff-Berry-Computer (ABC) verwendete binäre Mathematik und Boole’sche Logik und konnte damit gleichzeitig bis zu 29 lineare Gleichungen lösen. Nach langen gerichtlichen Patentstreitigkeiten wurde Atanasoffs Erfindung schließlich im Jahr 1973 von einem amerikanischen Bundesgericht offiziell anerkannt. Bei seinem ersten Bulgarienbesuch erhielt Atanasoff den Orden der Heiligen Kyrill und Methodius erster Klasse, Bulgariens höchste Auszeichnung für Wissenschaftler.


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Dieser Artikel erschien zuerst beim Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union unter CC BY Lizenz.

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