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Andreas Jürgens

Seit bald eineinhalb Jahrhunderten wird an dem Temple Expiatori de la Sagrada Família gebaut, der bei Fertigstellung mit über 170 Metern die höchste Kirche der Welt sein wird. Antoni Gaudís architektonisches Meisterwerk zwischen Vernunft und Rausch, Meer und Gebirge.

Es beginnt mit einem Zerwürfnis. Der vermögende Buchhändler und Philanthrop Josep Maria Bocabella erwirbt mit Unterstützung zahlreicher Donatoren ein Grundstück im wenig bebauten Teil Barcelonas. Er beauftragt den Architekten Francisco de Paula del Villar y Lozano mit dem Bau einer kleinen Kirche. Dessen Entwurf sieht einen den Vorstellungen der Zeit entsprechenden Bau im neugotischen Stil vor. Doch heftige Meinungsverschiedenheiten führen dazu, dass er schon im Jahr darauf durch einen jungen, aufstrebenden Kollegen ersetzt wird – den 31-jährigen Antoni Gaudí i Cornet.

Als Antoni Gaudí 1883 das Projekt übernimmt, stellt er zunächst die bereits von seinem Vorgänger begonnene Krypta fertig. Schon bald aber entwickelt er mit seinen eigenwilligen Vorstellungen und Experimenten neue, ungewöhnliche Bauformen, welche die Gestaltung der Kirche radikal verändern. Er denkt in völlig anderen Dimensionen und hat nicht die Absicht, die Vorstellungen seines Vorgängers zu übernehmen. Der Sühnetempel der Heiligen Familie wird immer größer, der Stil immer fantasievoller. Obwohl Gaudí zur gleichen Zeit auch an anderen Bauwerken arbeitet, macht er sich diese einzigartige Kirche zur Lebensaufgabe, wohl bald in dem Bewusstsein, dieses gewaltige Bauwerk niemals selbst vollendet sehen zu dürfen.

Gaudí, Sohn eines Kesselschmieds, kommt 1870 aus der Provinz Tarragona nach Barcelona, um hier zu studieren. Nach seinem Studium wird sein Rektor sagen, er zweifle, ob man das Diplom einem Verrückten oder einem Genie verliehen habe. Er bezieht zunächst eine kleine Wohnung im Altstadtquartier am Hafen. Die verwinkelten mittelalterlichen Gassen – das Meer und den Hafen praktisch vor seiner Tür – sind nun sein neues Zuhause. Die Atmosphäre ist aufgeladen, es ist eine Zeit voller Umbrüche. Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt Barcelona im Zuge der Industrialisierung einen wirtschaftlichen Aufschwung, gleichzeitig gibt es aber extreme soziale Unterschiede, die sich immer wieder in Streiks und Unruhen zeigen. Die Abneigung gegen Staat, Kirche und Bourgeoisie ist weit verbreitet, der Anarchismus fällt hier auf besonders fruchtbaren Boden.


Alles scheint in Bewegung, so als würden Türme, Treppen, Bögen und Balkone eigenwillig die Gestalt wechseln.


Die Natur ist das große Vorbild

In dieses sich zur europäischen Metropole entwickelnde Barcelona baut Gaudí seinen spektakulären Tempel. Die umliegenden Orte wachsen stetig über das schachbrettartige Raster der Stadterweiterung, dem Eixample, mit der Altstadt zusammen. Die neuen Wohnviertel übertreffen an Fläche schon bald das historische Zentrum. Nun verdichtet sich die Gegend um die Sagrada Família zum Häusermeer, nur noch getrennt von zwei Grünflächen. Mitten in dem gradlinigen Straßennetz und den für das Eixample typischen achteckigen Hausblöcken, wirkt Gaudís auffälliges Bauwerk wie ein Organismus.

Die Natur ist für Gaudí denn auch das eigentliche große Vorbild. Nichts müsse er erfinden, sagt er, nur das bereits Vorhandene – Tiere, Pflanzen, Gesteinsformen, die natürlichen Strukturen – auf seine eigene Art interpretieren. Doch woher genau nimmt er die Inspiration für all die ausgefallenen Formen, für die Turmspitzen, die wie riesige Pflanzen in die Höhe treiben oder die Säulen, die wie ein steinerner Wald das Innere der Kirche prägen?

Montserrat, der gezackte Berg. 40 Kilometer nordwestlich von Barcelona erhebt sich eine Gebirgskette. Hier liegt die Benediktinerabtei Santa Maria de Montserrat. Schon als junger Mann kommt Gaudí oft hier hinauf und arbeitet unter anderem an einer Skulpturengruppe. Auf dem Monserrat beobachtet er die ihn umgebende Natur genau. Die ungewöhnlichen Felsformationen, die wie riesige Finger über dem Kloster ragen – eine verwachsene, natürliche Urform der späteren Geburtsfassade der Sagrada Família? Die Natur ist der »große Lehrmeister« für Gaudí, aber er improvisiert auch immer wieder und zeigt zudem einen ganz eigenen Sinn für nachhaltiges Bauen. Nach dem Zerbrechen eines Bauteils lässt er kein neues anfertigen, sondern stattdessen die zerbrochenen Teile wieder zusammensetzen. Er verwendet Keramikbruchstücke und gestaltet damit zahlreiche Bauelemente. Dadurch entstehen die für den katalanischen Modernisme so typischen Mosaike, die Trencadís.

Alles scheint bei Gaudís Baustil in Bewegung, so als würden, sähe man nur lange genug hin, Türme, Treppen, Bögen und Balkone eigenwillig die Gestalt wechseln. In der Sagrada Família ähneln die Säulen Baumstämmen, die sich nach oben hin zu Ästen wandeln und die Gewölbe stützen. Hier sind zahlreiche Oberlichter eingelassen, durch deren Anordnung der ganze Tempel in lebendiges Licht getaucht wird. Die Farben des vom katalanischen Künstler Joan Vila-Grau gestalteten Buntglasfenster lassen das Innere der Kirche wie ein prächtiges Kaleidoskop erstrahlen. Dieses Licht inszeniert jene Fülle an organischen und geometrischen Formen, die Gaudí verwendet: die Spiralformen von Schneckengehäusen, Parabolformen von Pilzarten, die sternenförmige Anordnung von Blüten.

Mit all diesen Strukturen und Körpern erschafft er eine Bauform für seine Kirche, die eine hohe Tragfähigkeit ermöglicht und das Licht effizient führt. Ein Stil, der einzigartig ist und sich doch wie ein roter Faden durch alle Bauwerke Gaudís zieht. Auf den noch erhaltenen Zeichnungen lässt sich immer wieder diese Formensprache erkennen, die er auch für die Krypta der Colònia Güell verwendet.

Colònia Güell, die Industrieansiedlung eines der wichtigsten Auftraggeber Gaudís, Eusebi Güell. Hier leben Arbeiterfamilien in verhältnismäßig komfortablen Häusern. Die für die Siedlung vorgesehene Kirche, von der Gaudí wie einst sein Vorgänger bei der Sagrada Família nur die Krypta fertigstellt, ist gewissermaßen sein architektonisches Versuchslabor. Er bringt hier verschiedene Methoden wie die Kettenlinie zum Einsatz, bevor er sie in der Sagrada Família anwendet. Mit Gewichten, die Ketten zu einem u-förmigen Bogen formen, testet er so die später umgekehrt stehenden Stützlinien, um Lastenprobleme zu lösen. Diese vielteiligen Kettenbögenmodelle lassen den Betrachter darin nicht immer auf den ersten Blick eine Basilika erkennen.

Die Lösungen mittels dreidimensionaler Gipsmodelle zu finden – das ist Gaudís Methode. Oft entstehen seine Ideen erst während des laufenden Arbeitsprozesses. Systematische Baupläne gibt es kaum. Damit seine Nachfolger aber den Weg zur Vollendung finden, hinterlässt er ihnen neben seinen Skizzen eben jene Modelle. Manche lässt er im Maßstab 1:10 anfertigen und stellt seine Mitarbeiter dabei immer wieder vor Herausforderungen. Sogar das Dach der Werkstatt muss aufgebrochen werden, weil die Modelle nicht mehr hineinpassen. Doch sind sie eine Art Handlungsanweisung, ein greifbarer Plan auch für kommende Generationen, denn Gaudí hinterlässt in ihnen fast alle wichtigen Informationen, die für weitere Konstruktionen adaptiert werden können.


172,5 Meter. Einen halben Meter niedriger als der Montjuic. Die Kirche darf Barcelonas Hausberg nicht überragen, aus Demut gegenüber der Natur.


Die Türme der Sagrada Família ragen in den abendlichen Himmel
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Aus Nachbarn werden Skulpturen

In dem Bewusstsein, dass andere sein Werk vollenden werden, geht Gaudí einen ungewöhnlichen Weg. Er beschließt, zuerst eine Fassade einschließlich deren Türme fertigzustellen, statt gleichmäßig an allen Seiten zu bauen. So beginnt er 1891 mit der Jesu Christi Geburt gewidmeten Façana del Naixement, der Geburtsfassade. Sie zeigt Szenen aus der Weihnachtsgeschichte im Neuen Testament. Modell für diese Skulpturen stehen dabei, neben den Arbeitern auf der Baustelle, häufig Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft – Anwohner, Verkäufer und auch Bettler. Sie alle sind auf der Geburtsfassade in Stein verewigt. Für die Figur des Josef steht ein Mann mit dem Namen José, der iberischen Namensform, Modell – auch er ein Zimmermann von Beruf. Gaudí geht es vor allem um die Ausdrucksstärke und die Wesensverwandschaft dieser Menschen mit den biblischen Figuren, nicht um ihren Rang.

Kurz nach einer schweren Erkrankung entwirft Gaudí die Façana de la Passió, die Passionsfassade, die Leiden, Tod und Auferstehung Christi darstellt. Doch erst Mitte der Fünfzigerjahre, drei Jahrzehnte nach seinem Tod, können die Bauarbeiten an dieser Fassade beginnen. Die Fundamente werden ausgehoben und abermals wachsen Türme Stein für Stein in die Höhe. Es dauert weitere drei Jahrzehnte, bis ein Bildhauer, deren Name zuvor noch in einem Aufruf zum Baustopp auftaucht, für die Gestaltung der Skulpturen beauftragt wird – Josep Maria Subirachs.

Subirachs beginnt seine Arbeit an der Passionsfassade 1986. Mit seinem expressionistischen Stil, der statt natürlich fließender Formen scharfkantige, verzerrte Körper zeigt, stößt er auf Ablehnung. Doch das Thema der Fassade erfordert eine dramatische Wirkung. Es entstehen Skulpturen mit extremen, geometrischen Formen, die Rüstungen der antiken Römer wirken wie Soldaten aus ferner Zukunft. Er bricht mit der Art der bisherigen Figuren – und setzt gerade damit eines der Merkmale des Tempels fort: unterschiedliche Interpretationen eines einzigartigen Meisterplans.


Anwohner, Verkäufer und auch Bettler – sie stehen Modell für die Skulpturen der Geburtsfassade


Ein anspruchsvoller Auftrag, eine Botschaft in Stein

Façana de Glòria, die Glorienfassade. Sie ist wohl die imposanteste der drei Fassaden und der Himmelfahrt Jesu Christi gewidmet. Hier liegt der Haupteingang, durch den die Besucher über einen großen Vorplatz die Basilika betreten sollen. Doch der Plan, inklusive einer 60 Meter langen Treppe, der die Fassade in ihrer ganzen Pracht schon von Weitem sichtbar präsentieren soll, ist umstritten. Denn auf der ursprünglich dafür vorgesehenen Fläche befinden sich heute Wohnhäuser. Die Vollendung des monumentalen Bauwerks steht nun in direktem Konflikt mit den Anwohnern. Das bei Baubeginn wenig besiedelte Gebiet um die Sagrada Família ist heute ein begehrtes Viertel mit hoher Bevölkerungsdichte – und hohen Quadratmeterpreisen.

Von dem noch zu Gaudís Lebzeiten hergestellten Originalmodell der Glorienfassade bestehen Fragmente und Fotografien, außerdem schriftliche Aufzeichnungen, die er und seine Schüler hinterlassen haben. Zusammen geben sie Aufschluss über die technisch-architektonischen Aspekte der Gestaltung. Die erhaltenen Teile werden mittels eines 3-D-Scanners erfasst, diese Daten werden mit denen der Fotografien im Computer kombiniert. Damit wird ein Modell rekonstruiert, das den Vorstellungen Gaudís sehr nahekommt. Ein weiterer Aspekt aber ist die Symbolik der Fassade. Wie gestaltet man die Botschaft, die vermittelt werden soll? Hierzu beauftragt die Stiftung der Sagrada Família drei Theologen mit einer besonderen Aufgabe – sie sollen die Architekten in dieser Frage beraten, um die biblisch-theologische Bedeutung der letzten Fassade des Tempels herauszuarbeiten.

Die Geburtsfassade de Sagrada Família zeigt Szenen aus der Weihnachtsgeschichte im Neuen Testament
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Façana del Naixement, die Geburtsfassade. Sie zeigt Szenen aus der Weihnachts­geschichte im Neuen Testament.


Ein Werk der Generationen

Sie prägen die Skyline Barcelonas, heben sich am Tag vom mediterranen Blau des Himmels ab und leuchten bei Nacht im Scheinwerferlicht – die Türme der Sagrada Família, Symbole des »Neuen Jerusalem«. Achtzehn sind es insgesamt. Für eine Basilika eine ungewöhnlich hohe Zahl, doch ist jeder von ihnen einer biblischen Gestalt gewidmet. Die zwölf Glockentürme der Fassaden stehen für die Apostel, weitere vier für die Evangelisten und einer, über der Apsis des Tempels, für die Jungfrau Maria. Auf ihrem Turm thront ein echtes Schwergewicht. Fünfeinhalb Tonnen wiegt er, der Stern von Bethlehem. Im Inneren des zwölfzackigen Sterns aus Stahl und Glas strahlen Scheinwerfer in 138 Meter Höhe weit sichtbar in die Nacht hinein. Am Tag fängt er das Sonnenlicht ein und reflektiert es.

Die Rufe der Bauarbeiter, mal katalanisch, mal kastilisch, mischen sich in das laute Bohren und Sägen der Maschinen. Über 200 Menschen sind hier heute insgesamt beschäftigt. Wer zwischen den Gerüsten und Stahlträgern klettern muss, sollte körperlich fit – und vor allem schwindelfrei sein. Neben einem der Baukräne erhebt sich der höchste Turm der Basilika – der Torre de Jesucrist, der Jesusturm. Mit einer begehbaren Kreuzspitze, die einen atemberaubenden Blick über die Stadt freigeben wird.

Genau 172,5 Meter hoch soll er werden und damit knapp einen halben Meter niedriger als der Montjuic. Denn selbst die höchste Kirche der Welt darf Barcelonas Hausberg nicht überragen, aus Demut gegenüber der Natur – so bestimmt es Gaudí. Die Bauteile, die der Kranführer in schwindelnden Höhen sicher platzieren muss, sind bis zu 25 Tonnen schwer. Direkt unter dieser Last stehen einige Arbeiter und dirigieren mit ihren Händen und über Funk das Zusammenspiel. Die einzelnen Teile müssen exakt aneinanderpassen. Ein Millimeter Fehlerspanne – jeder weitere stört die Perfektion.

Weniger geräuschvoll, aber ebenso akribisch arbeitet man im Planungsbüro. Auch hier vollbringt ein Team aus Architekten, Ingenieuren und Designern jeden Tag Höchstleistungen. Immer noch herrscht Begeisterung für Gaudís Baukunst, für seine kreative Kraft und die innovativen Wege, Pläne umzusetzen. Denn auch Gaudís Nachfolger arbeiten heute nach diesem Prinzip – mit den Mitteln ihrer Zeit. Wenn sich ein Problem nicht mit der üblichen Software lösen lässt, greift man eben auf Programme zur Konstruktion von Flugzeugen und Schiffen zurück, um diese einzigartige Formenwelt Wirklichkeit werden zu lassen. Es ist längst die fünfte Generation, die an diesem Tempel arbeitet. Doch auf einen genauen Termin zur Fertigstellung will sich der jetzige Chefarchitekt Jordi Faulí i Oller nicht mehr festlegen lassen. Kann ein Bauwerk wie die Sagrada Família überhaupt jemals vollendet sein?

Details der Glockenturmspitzen der Sagrada Família
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»hier blüht wie eine Riesenblume ein Tempel, der sich darüber wundert, dass er hier zur Welt kam«

Joan Maragall, Oda Nova a Barcelona


Eine Architekturikone aus Stein – durchflutet von Farben und Klängen

Die Sagrada Família zieht Besucher aus der ganzen Welt an, Gläubige aller Konfessionen ebenso wie Atheisten, Touristen wie Einheimische. Sie alle reihen sich, mehr oder weniger geduldig, in die langen Warteschlangen ein. Unberührt aber lässt dieses einzigartige Bauwerk keinen von ihnen, denn hier »blüht wie eine Riesenblume ein Tempel, der sich darüber wundert, dass er hier zur Welt kam«, wie es in dem 1909 entstandenen Gedicht »Oda Nova a Barcelona« des katalanischen Dichters Joan Maragall heißt.

Man betritt den enormen Raum der fünfschiffigen Basilika, taucht ein in das Licht, das durch die Buntglasfenster strahlt und blickt sich staunend um. Steht man mitten im gedämpften Stimmengewirr der zahlreichen ebenso erstaunten Besucher, bekommt man einen Eindruck von der Akustik. Jeder Ton hat hier einen enormen Nachhall, eine Herausforderung denn auch für die Wiener Philharmoniker, die unter Christian Thielemann hier Anton Bruckners Vierte Symphonie aufführen. Komposition und Baubeginn fallen ungefähr in die gleiche Zeit. Zwei Jahre nach der Uraufführung von Bruckners Werk 1881 beginnt Gaudí seine Arbeit an der Sagrada Família. So kraftvoll und überwältigend wie die Baukunst des Architekten, erklingt hier die Musik des Komponisten. Eröffnet wird das Konzert allerdings mit einer zeitgenössischen Komposition – »Elysium« von Samy Moussa, der Moses im Namen trägt. Ist man ihr hier in der Kirche näher, dieser mythologischen, im äußersten Westen gelegenen »Insel der Glückseligen«?

43 Jahre arbeitet Gaudí an seiner Kirche. Die letzten Jahre seines Lebens widmet er sich ihr ausschließlich, verbringt bald Tag und Nacht auf der Baustelle, um jeden noch so kleinen Fortschritt zu verfolgen. Am 7. Juni 1926 wird er auf dem Weg vom morgendlichen Besuch des Oratoriums des heiligen Philipp Neri zur Sagrada Famila, von einer Straßenbahn erfasst und bleibt bewusstlos liegen. Aufgrund seiner äußeren Erscheinung hält man ihn zunächst für einen alten Bettler und bringt den Verletzten erst in ein Armenkrankenhaus, dann, nachdem er erkannt wird, in ein Privatzimmer, wo er kurz darauf stirbt. Tausende begleiten den Trauerzug durch Barcelonas Straßen. Seine letzte Ruhestätte findet er in der Krypta, mitten in seinem monumentalen Lebenswerk, der ‚Bibel aus Stein‘. Genau dort, wo aus der ursprünglich geplanten, kleinen neogotischen Kirche die große Basilika Antoni Gaudís wird.

In Gaudís Zeit wird der katalanische Modernisme geboren, doch sein Werk geht weit über diese Bewegung hinaus und macht die Sagrada Família heute zu einer Architekturikone. Sein Gesamtwerk gehört heute zum Weltkulturerbe, die Kirche ist der einzige große Sakralbau in Europa, an dem noch gebaut wird. Es werden hier wohl noch weitere Generationen Arbeit finden, immer wieder in der Zeit wird eine Fassade eingerüstet, ein Kran aufgestellt werden. Viele der Menschen, die hier arbeiten, zählen zu den wenigen Spezialisten, die ihre Techniken noch anwenden. In der Sagrada Família können sie diese fortführen und weiterentwickeln. Den Planern und Konstrukteuren stehen mit der Digitalisierung, neuen Bautechniken und Materialien ebenfalls vielfältige Möglichkeiten offen.

Doch wann kommt, in dieser Zeit der architektonisch-universellen Gleichförmigkeit, wieder jemand, der Tradition und Innovation miteinander versöhnt, ein Mensch zwischen Verrücktheit und Genialität? Wer schafft ein Bauwerk, das jeden, der es besichtigt in seinen Bann zieht?


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