Mit dem »Mikroroboter« durch den Körper



Hesperus

So klein ist der neueste ETH-Mikroroboter.
So klein ist der neueste ETH-Mikroroboter. Bild: Luca Donati / ETH Zürich

Ein Roboter, so klein, dass er sich durch unsere Blutgefäße bewegen kann, um dort als Lebensretter aktiv zu werden? So einen »Mikroroboter« haben Forscher nun an der ETH Zürich entwickelt – und schon bald könnte er auch in Krankenhäusern eingesetzt werden.

Eine winzige, mit bloßem Auge kaum zu erkennende schwarze Kugel liegt auf einer Fingerkuppe, wo sie fast in den Papillarlinien der Haut zu verschwinden scheint. Tatsächlich soll dieser Winzling durch die komplexen Gefäßstrukturen des menschlichen Körpers dringen und dort sogar sicher navigieren. Durch ein ausgeklügeltes magnetisches Navigationssystem ist es Wissenschaftlern gelungen, diesen Mikroroboter mit einer noch kleineren Transportlast auf die Reise zu schicken, um Leben zu retten. Dazu wurde die neuartige Technologie erfolgreich in realistischen Gefäßmodellen und an Großtieren getestet.

Weltweit erleiden jedes Jahr ca. 12 Millionen Menschen einen Schlaganfall, wenn sie ihn überleben, bleiben sie dennoch oft ein Leben lang beeinträchtigt. Ein Auslöser ist der sogenannte Thrombus, ein Blutgerinnsel, das die Gefäße verstopft. Um dieses aufzulösen, werden bislang Medikamente eingesetzt, die sich im ganzen Körper verteilen und nicht isoliert wirken können. Damit dennoch die benötigte Menge das Gerinnsel erreicht, müssen hohe Dosen mit entsprechend schweren Nebenwirkungen gegeben werden. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ist nun der entscheidende Fortschritt gelungen.

Die kleine Kugel besteht aus einer sich auflösenden Gelhülle, in deren Innerem Eisenoxid-Nanopartikel für eine ausreichend magnetische Wirkung sorgen, denn nur so können die Forscher sie an die gewünschte Position bringen, etwa an den Thrombus. Ein dem Patienten verabreichtes Kontrastmittel sorgt für die sichere Navigation, denn so kann die Reise des Mikroroboters durch Röntgenbildgebung genau verfolgt und gesteuert werden. Bis diese Methode praxistauglich entwickelt werden konnte, brauchte es allerdings viel Forschungsarbeit, sagt einer der Beteiligten, der ETH-Professor Bradley Nelson: »Magnetische Funktionalität, bildgebende Sichtbarkeit und präzise Steuerung in einem einzigen Mikroroboter zu vereinen, erfordert ein perfektes Zusammenspiel zwischen Materialwissenschaft und Robotik. Wir haben viele Jahre gebraucht, dieses Ziel zu erreichen.«

Die eigentliche »Ladelast« der Mikroroboter besteht jedoch aus dem Medikament, das sie genau an die dafür vorgesehende Position innerhalb der Gefäßstrukturen transportieren müssen. Wirkstoffe für die verschiedensten Einsatzgebiete wurden in die Kugeln eingebracht: Medikamente zur Auflösung von Blutgerinnseln, Antibiotika oder auch solche zur gezielten Bekämpfung von Tumoren. Durch ein hochfrequentes Magnetfeld werden die Nanopartikel im Inneren der Kugel erhitzt, die Gelhülle löst sich auf – und die Wirkstoffe werden freigesetzt.

Eingeführt wird der Mikroroboter zunächst durch einen Katheter, der über einen inneren »Führungsdraht« verfügt: Ein flexibler Polymergreifer bringt ihn auf den Weg und gibt ihn am Ende dieses Drahts frei – ab nun steuern die Forscher die magnetische Kugel durch die Gefäße, bis an die gewünschte Position. Schon heute ist dieses komplexe System auch für den Einsatz im Operationssaal geeignet. Doch je nach Lage des Patienten variert die Blutgeschwindigkeit im Arteriensystem stark, sodass die Forscher verschiedene Navigationsstrategien miteinander kombinieren mussten, um durch alle Regionen dieses Systems navigieren zu können.

Sogar gegen den Blutstrom können sich die winzigen Kugeln bewegen – und das, obwohl sich das Blut mit einer beachtlichen Strömungsgeschwindigkeit von über 20 Zentimetern pro Sekunde bewegt: »Es ist unglaublich, wie viel Blut in welcher Geschwindigkeit durch unsere Gefäße gepumpt wird. Unser Navigationssystem muss das alles aushalten können« sagt Fabian Landers, Forschungsleiter und Postdoktorant am Multi-Scale Robotics Lab der ETH, der eigentlich einen Master im Maschinenbau hat, aber schon während seines Studiums ein großes Interesse an Mikrorobotern entwickelte.

Auf seinem Weg durch den menschlichen Körper muss der Mikroroboter so einige Schwierigkeiten meistern können – kommt er an eine der zahlreichen Verzweigungen der Gefäße, durch die er nur schwer manövrieren könnte, setzen die Forscher auf die sogenannte »In-Flow-Navigation«: Ein Magnetfeld wird an die entsprechende Gefäßwand gesetzt, sodass die Kugel in die richtige Bahn gezogen wird. Durch die kombinierten Navigationsstrategien kann sie die unterschiedlichsten Strömungsbedingungen und anatomischen Szenarien bewältigen – mit großem Erfolg: In mehr als 95 Prozent der Tests konnte das jeweilige Medikament am dafür vorgesehenen Punkt abgegeben werden.

Um die Mikroroboter in einer realistischen Umgebung testen zu können, bildeten die Wissenschaftler die Gefäße der Patienten exakt nach – mittlerweile werden diese Gefäßmodelle sogar bei der Ausbildung von Ärzten eingesetzt und vom ETH-Spin-Off »Swiss Vascular« vertrieben. »Die Modelle sind für uns so wichtig, weil wir sehr oft üben mussten, um die Strategie und alle Komponenten zu optimieren. Das geht nicht in Tieren« so die Forscher. In eben solchen Modellen konnten bereits erfolgreich Blutgerinnsel aufgelöst werden.

Erst nach vielen erfolgreichen Modellversuchen testete das Team die Mikroroboter schließlich auch in Tierversuchen, um zu beweisen, was diese auch unter realen klinischen Bedingungen leisten. Alle Navigationsmethoden funktionierten, die winzigen Kugeln blieben während des gesamten Eingriffs gut sichtbar. Auch dank dieser wichtigen Versuche können die Mikroroboter nun nicht nur bei Blutgerinnseln, sondern auch bei lokalisierten Infektionen und Tumoren eingesetzt werden. Denn alles, was die Forscher so hochmotiviert entwickelt haben, soll bald auch in den Operationssälen eingesetzt werden können, um dort Leben zu retten. »Im Spital machen Ärztinnen und Ärzte schon heute einen unglaublichen Job. Dass wir hier eine Technologie in den Händen haben, mit der wir schneller und effektiver helfen und durch neuartige Therapien Patientinnen und Patienten wieder Hoffnung geben können, treibt uns an.«

Quelle: ETH Zürich


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